Nur durch „Schuldenbremse“ sind die Probleme nicht zu lösen

18. Februar 2016
Quelle: Wilhelmine Wulff / pixelio.de

Grundsatzrede des Fraktionsvorsitzenden zum Haushaltsplan 2016

2015 war politisch ein Jahr großer Herausforderungen, viele Flüchtende sind nach Kiel gekommen, da musste von Seiten der Stadt agiert werden. Nach anfänglichem Zögern hat die Stadt auf Druck dann doch dankenswerterweise schnell reagiert und anders als beispielsweise Hamburg und Lübeck versucht, das Leid der Transitflüchtenden zu lindern.

Was vor allem die Kielerinnen und Kieler ehrenamtlich bei der Unterstützung der Flüchtenden geleistet haben und leisten, ist hervorragend und lobenswert. Dies gilt ausdrücklich auch für die Feuerwehr und das Rotes Kreuz.

Auch die vor kurzem vereinbarte Erhöhung der Erstattungsquote für die Erstattung von Aufwendungen für leistungsberechtigte Personen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von 70 auf 90 Prozent hilft der Stadt bei der Bewältigung der zusätzlichen Aufgaben.

Es war finanziell ein recht gutes Jahr für Kiel, auch wenn uns die Höhe des Überschusses noch nicht exakt vorliegt. Laut KN sind es ca. 17 Millionen Euro. Aber es hätte noch besser sein können. Mit der Olympiabewerbung hat die Stadt Kiel über 1 Mio. EUR versenkt. Bei den Bewerbungskosten hat man das Geld riskant verwendet, um an Fördergelder zu gelangen, nachvollziehbar, bei den 200.000 EUR für den Bürgerentscheid aber hat man das Geld sträflich aus dem Fenster geworfen. Wir haben es beantragt, den Hamburger Entscheid abzuwarten. Es bestand keinerlei Zeitdruck. Das Geld hätte man wirklich an anderer Stelle besser einsetzen können. Das war schlichtweg eine politische Fehlentscheidung, die man nur noch bedauern kann. Das war vollkommen unnötig und überflüssig. Hier hätte man gut auf die LINKE, auf die Opposition, hören können.

Dass Oppositionspolitik aber auch funktionieren kann, zeigt sich in der PE vom 12.2. der CDU: „Stadtwappen: Erfolg für die CDU-Ratsfraktion“ Nun, Herr Kruber, das haben sie nicht allein bewerkstelligt, wir hätten uns natürlich genauso diese Feder an den Hut stecken können. Aber bitte sehr, wir gönnen ihnen ihren „Erfolg“.

Auch für DIE LINKE waren die letzten Monaten durchaus erfolgreich: Der Erhalt des Sommerbades Katzheide war eine langjährige Forderung der LINKEN. Jedes 6te Plakat unseres Wahlkampfes trug die Worte: „Katzheide erhalten“. Damit standen wir komplett allein in der Kieler Parteienlandschaft. Dass dies nun Wirklichkeit werden soll, ist für uns ein politischer Erfolg und das freut uns sehr. Nicht für uns, es freut uns für unsere ganze Stadt.

Ein weiterer verbuchbarer Erfolg für uns ist, dass jetzt die Stadt erkannt hat, dass sie eine aktive Rolle auf dem Wohnungsmarkt einnehmen muss. Wir haben es seit Jahren vehement gefordert, auch hier standen wir gänzlich allein. Und nun soll auch unsere Forderung nach „Bezahlbarem Wohnraum“ Wirklichkeit werden. Wir wollen uns bei weitem keine fremden Federn an den Hut stecken, um mal bei diesem Bild zu bleiben, aber wir fühlen uns mit unserem jahrelangen unablässigen Bohren an dieser Stelle mehr als bestätigt.

Sie sehen, meine Damen und Herren, Opposition kann erfolgreich sein. Auch bei politisch deutlich dickeren Brettern als wie bei einem Stadtwappen-Kompromiss, Herr Kruber, geht das. Aber schaut man sich die „Rote Liste“, die Änderungsanträge der Opposition genauer an, stellt man fest, dass von FDP und CDU gar nichts bis sehr sehr wenig kommt. Nichts von der FDP, aha, und ganze zwei oder drei Änderungsvorschläge der CDU mit einem Nennwert von 420.000 EUR.

Wenn wir als LINKE 16 Änderungen zum Haushalt mit einem Volumen von über 6,5 Mio. EUR vorschlagen, dann machen wir damit deutlich, dass wir politisch anders gewichten wollen, das wir die Rolle der Opposition annehmen und die Kooperation mit Gegenvorschlägen konfrontieren. Das lassen FDP und CDU leider gänzlich vermissen.

Herr Kruber und Herr Roick, wenn sie auch, wie DIE LINKE, den vorgelegten Haushalt ablehnen, in der Presse den Haushalt unambitioniert nennen und einen Kurswechsel einfordern, so bleiben sie doch mit Alternativen hinterm Berg. Sie fordern, dass das strukturelle Defizit von 30 – 40 Mio. EUR in „einem überschaubaren Zeitraum abgebaut und auf „0“ geführt wird“, meine Herren, wer will das nicht, aber die CDU sagt uns nicht wie das dann auch umzusetzen ist.

Meine Damen und Herren, da in unseren Augen CDU und FDP dieses Engagement zu einer konstruktiven Opposition vermissen lassen, gehen wir davon aus, das CDU und FDP nichts Produktives zum Haushalt beisteuern wollen oder können. Das ist nicht unser Verständnis von Opposition. Was sie meine Damen und Herren von FDP und CDU in ihren Anträgen zum Begleitbeschluss von sich geben ist weit weg von dem, was unsere Stadt weiterbringen kann. Im Grunde sind wir LINKE die einzige Opposition in diesem Haus, die diese Bezeichnung verdient.

Ausgangspunkt unserer Oppositionspolitik werden auch 2016 die gesellschaftspolitischen Tatsachen sein, wie wir sie in unserer Stadt vorfinden. Von den ca. 120.000 Beschäftigten in der Stadt sind inzwischen 59 Prozent in atypischen Beschäftigungen. Eine Steigerung von 72 Prozent in den letzten 10 Jahren. Hinzu kommen immer noch 33.000 Menschen, die von Hartz IV leben müssen. Vor allem junge Menschen sind im Job enorm unter Druck und von Leiharbeit, von befristeter Beschäftigung, von Werksverträgen betroffen. Übrigens nicht nur im Handel und produzierenden Gewerbe, auch an der Universität ist der Mittelbau der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter prekär beschäftigt. „Hire and Fire“ – und damit große Unsicherheiten und Existenzängste für die Betroffenen – gilt leider in Kiel für immer mehr abhängig Beschäftigte.

Ca. 2.500 Jugendliche befinden sich in der Warteschleife von Schule und Ausbildung, oftmals ohne Aussicht auf einen Berufsabschluss. In 2014 – neuere Zahlen liegen noch nicht vor-, ist die Zahl derer, die ohne Anschlussperspektive die Schule verlassen haben, dramatisch gestiegen. Statt prognostizierten 116 Jugendliche traf es 188 Jugendliche. Hier muss gegengesteuert werden, zum Wohl der jungen Kielerinnen und Kieler. Hier muss auch Geld in die Hand genommen werden, um langfristig Geld zu sparen. Beschäftigung und Ausbildung zu finanzieren ist allemal besser und billiger, als Arbeitslosigkeit zu produzieren.

Wir kennen die Bemühungen der Verwaltung, wir kennen die Maßnahmen im Bildungsreport 2015 und wir begrüßen sie, wir begrüßen die Einrichtung einer Jugendberufsagentur, den sogenannten „Kieler Weg“. Wir müssen aber mehr tun und wir müssen früher ansetzen.

Dazu haben wir einen Antrag gestellt, der die Situation in den Gebundenen Ganztagsschulen thematisiert. Hier liegt vieles im Argen. Viele Betreuungsstunden am Nachmittag fallen aus. Die Schülerinnen und Schüler, wie die Unterrichtenden auch, sind frustriert. Es fehlt am Geld – das darf nicht sein – das kann für die Stadt in Zukunft sehr sehr teuer werden. Meine Damen und Herren von SPD und GRÜNEN, sie lehnen unseren Antrag dazu heute noch ab, aber wir bitten sie inständig, schauen sie auf die Gebundenen Ganztagsschulen. Schauen sie genau hin und überprüfen sie, ob der Status quo wirklich das ist, was sie sich von der Gebundenen Ganztagsschule seinerzeit, als sie sie 2009 beim Land beantragt haben, versprochen haben.

Ähnlich wie bei unserer Forderung nach bezahlbarem Wohnraum, werden wir uns weiterhin vehement für ein Kieler Sozialticket einsetzen. Auch sie werden hoffentlich noch in dieser Wahlperiode zu der Erkenntnis gelangen, dass Mobilität ein wichtiger Aspekt der gesellschaftlichen Teilhabe ist und keinem Menschen vorenthalten werden darf. Zu einem modernen Verkehrskonzept gehört nicht nur ein ÖPNV auf der Schiene, sondern auch ein modernes Tarifsystem, dass niemanden ausgrenzt.

Meine Damen und Herren, sie erwarten in der sogenannten Generaldebatte grundsätzliche Aussagen zu Haushalt und Kommunalfinanzierung. Dazu werde ich nachher zum Grundsatzbeschluss noch etwas sagen. Jetzt zum Abschluss nur soviel:

Ohne dass es gelingt die Schere zwischen Arm und Reich in diesem Land zu schließen, wird es unserer Meinung nach keine nachhaltige Finanzierung der Gebietskörperschaften geben. Ohne eine Umverteilung von Oben nach Unten, ohne die Heranziehung Vermögender zur Finanzierung des Gemeinwesens werden wir unsere Probleme nicht in den Griff bekommen.