Rede des Vorsitzenden der Ratsfraktion DIE LINKE, Stefan Rudau, zum Haushalt 2022

16. Dezember 2021
Quelle: Florian Jansen

Sehr geehrter Herr Stadtpräsident,
liebe Kolleg*innen der demokratischen Ratsfraktionen,

bevor ich beginne, möchte ich mich im Namen der Ratsfraktion DIE LINKE. Kiel ganz ausdrücklich bei den Mitarbeiter*innen der Verwaltung und insbesondere der Kämmerei für die geleistete Arbeit und die Vorlage dieses Haushaltsentwurfs bedanken. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies in einem Jahr, das dies angesichts der Herausforderungen der Pandemie keine leichte Aufgabe war.

Ferner möchte ich mich auch bei den anderen Ratsfraktionen bedanken, die auch in diesem Jahr in den Haushaltsberatungen der Fachausschüsse im November wieder keinerlei Anträge eingebracht haben und somit eine rechtzeitige Vor- Haushaltsberatung in den Fachausschüssen erfolgreich verhindert haben. Ja meine Damen und Herren, das war anders verabredet. Wir hätten in Präsenz im November in den Fachausschüssen über die Haushaltsanträge der Fraktionen beraten können. Es ist nur leider so, das lediglich Die Linke termingerecht geliefert hat und so das Ringen um die besten Ideen auch in diesem Jahr leider wieder ausgeblieben ist.

Das ist leider nicht der einzige schiefe Aspekt dieser Haushaltsrunde.
Während der Oberbürgermeister es Ende November noch völlig okay fand, dass sich Umgeimpfte auf dem Weihnachtsmarkt tummeln, erklärte er einen Fall höherer Gewalt iSd §35a der GemO und erwirkte, dass die Haushaltsberatung nunmehr im virtuellen Raum stattfindet. Jetzt auch noch in stark verkürzter Form.

Ich finde das nicht schön. Debatte lebt eben von Präsenz und eine Rede ist eben doch wesentlich mehr, als das gesprochene Wort. Eine Sitzung in Präsenz ist auch mit allgemeiner Aufmerksamkeit und Zugewandtheit verbunden. Wenn ich mir die vergangenen Ratssitzungen im virtuellen Raum in Erinnerung rufe, dann fehlte es genau daran.
Meine Damen und Herren, es wäre wesentlich besser gewesen, die Haushaltsdebatte ins Frühjahr zu verschieben um dann wieder in Präsenz debattieren zu können. Dem wurde ja entgegengehalten, dass es ein Ausdruck von Handlungsfähigkeit wäre, wenn ab dem 1.1. mit der Umsetzung eines beschlossenen Haushalts begonnen werden könnte. Nun ja, solange die Umsetzung des Haushalts so dermaßen gravierend vom Haushaltsbeschluss abweicht, mag ich das nicht recht nachvollziehen.
Das wir im Bereich der Umsetzung gravierende Probleme haben, ist ja hinlänglich bekannt. Hier muss es einfach besser werden. Das hat uns ja nicht zuletzt der Landesrechnungshof sehr deutlich mitgeteilt.
Es stellt sich dann doch auch die Frage, wieviel steuern wir eigentlich noch, wenn die Umsetzung so gravierend von der Planung abweicht.

Wie bereits im letzten Jahr, werden wir auch heute der Haushaltsplanung zustimmen.
Ausschlaggebend ist für uns, dass auch dieser Haushalt darauf verzichtet eine Sparbremse einzulegen oder im sozialen Bereich zu kürzen. Ja, die Gesamtlage wird schwieriger. Die Gewerbesteuereinnahmen brechen ein und eine auskömmliche Finanzierung durch Bund und Land lässt weiterhin auf sich warten. Aber es wäre das Verkehrteste jetzt zu kürzen oder einzusparen.

Trotzdem hätten uns aber an einigen Punkten doch andere Weichenstellungen gewünscht.
So zum Beispiel beim Thema Luftfilteranlagen für Schulräume. Darüber diskutieren wir ja bereits seit Beginn der Coronapandemie, aber es hat sich da zu wenig getan.
Wir Linke sind nach wie vor der Auffassung, dass generell alle Schulräume mit Luftfilteranlagen ausgestattet werden sollten. Letztes Jahr wurde uns dafür noch Realitätsferne vorgeworfen.
Aber auch die vergangene Bundesregierung hat in dem Bereich gewisse Bedarfe gesehen und ein entsprechendes Förderprogramm aufgelegt. Daraufhin wurden auch In der Stadt 10 nichtlüftbare Schulräume identifiziert, die Luftfilteranlagen bräuchten. Leider reichten die Fördermittel des Bundesprogrammes lediglich für drei dieser Räume. Da wäre es doch im Zuge einer Haushaltsberatung nur folgerichtig, entsprechend Mittel einzuplanen. Und falls das nicht geschehen ist, wäre es doch nun nur folgerichtig, einem Antrag des SSW auf Haushaltsmittel für Luftfilteranlagen zuzustimmen und die identifizierten Bedarfe umzusetzen. Ich kann bis jetzt nicht verstehen, warum die Kooperation hierzu nicht durchringen konnte.
Ist es wie so häufig so, dass man Sorge hat, man könne das eigene Label nicht glaubhaft draufzulegen? Das Ganze nicht als eigenen Erfolg verkaufen können?

Am Geld kann es jedenfalls nicht liegen, denn Geld ist offenbar reichlich da.
Anders lässt sich ja nicht erklären, warum der Stadionausbau mit über 9Millionen Euro gefördert werden soll.
Die Linke beantragt weder die Fördermillionen des Landes durchzuleiten, noch 9 Millionen an eigenen Steuermitteln aufzuwenden um dieses Stadion aufzuhübschen. Es macht fassungslos, wie selbstverständlich hier ein Prestigeprojekt gefördert werden soll, von dem die Kielerinnen und Kieler mehrheitlich gar nicht profitieren.
Nach Meinung der Stadtspitze und der Kooperation sollen Millionensummen aufgewendet werden, um ein Stadion an die Bedürfnisse und Wünsche eines Profi-Fußballclubs anzupassen. Das ist absurd und ein in der Bundesrepublik einmaliger Vorgang. Wir als Linke meinen hingegen „Kein Steuergeld für Profi-Fußball“
Zu diesem Projekt gehört auch die Vernichtung weiterer Kleingärten um eine schwungvolle Zubringerstraße zu einem neuen, megalithischen Parkhaus zu asphaltieren.
Deutlicher formuliert: Es geht um eine weitere Förderung des motorisierten Individualverkehrs. Warum man so handelt, obwohl man einen Klimanotstand festgestellt hat, bleibt wohl weiterhin das Geheimnis der Kooperation.

Was nun zu guter Letzt die Frage aufwirft, wie klimagerecht dieser Haushalt denn nun ist. Ja, wir haben den Klimanotstand festgestellt und einen Masterplan 100% Klimaschutz in der Umsetzung. Aber reicht das? Handeln wir nach den Zielsetzungen des Pariser Abkommens? Ist unser Handeln mit dem 1,5 Grad Ziel vereinbar?
Die Verwaltung hat uns im November das Positionspapier Kiel – klimaneutral 2035!? vorgelegt. In der Novemberratsversammlung ist das leider sehr weit nach hinten gerutscht und eine ausführlichere Debatte hat gar nicht mehr stattgefunden. Aber ich denke, es lohnt sich das Papier noch einmal aufzugreifen.
Was steht denn drin?
Wenn wir weiterhin eine Klimaneutralität erst 2050 anstreben, haben wir das 1,5Grad Ziel bereits planerisch verfehlt. Wenn wir weiter handeln wie bisher, haben wir das verbleibende Emissionsbudget bereits 2028 restlos aufgebraucht.
Wir müssen also fundamental umsteuern und die Umsetzungsgeschwindigkeit von Emissionsreduktionen vervielfachen. Das sollte sich dann auch im Haushalt wiederfinden.
Darüber hinaus braucht es eine umfassende energetische Sanierung der städtischen Gebäude. Wie stehen wir denn da aktuell da?
Und es braucht wirksame Maßnahmen zur Verringerung des motorisierten Individualverkehrs. Ja, das wird mit gesellschaftlichen Widerständen und Besitzstandswahrung der Autofahrerlobby verbunden sein. Aber ohne eine Zurückdrängung des Autos aus dem öffentlichen Raum wird eine Verkehrswende nicht machbar sein.
Schließlich müssen wir uns auch Gedanken darübermachen, wie eine Fernwärmeversorgung in unserer Stadt mit unserem Kraftwerk aussieht, wenn wir eben nicht mehr auf die Verbrennung fossiler Energieträger setzen. Ja, auch das wird absehbar schwierig werden. Aber wir müssen da ran.
Grundsätzlich denke ich, müssen wir über dieses Positionspapier und die Schlussfolgerungen daraus noch intensiv diskutieren.
Und ich denke, wir müssen dieses Positionspapier zur Grundmatrix kommender Haushalte zu machen.
Dann werden Haushalte aber auch anders aussehen müssen. Dann wird es vermehrt um Steuerungs- und Auswirkungsfragen gehen müssen.
Dann wird es eben auch darum gehen, ob geplante Maßnahmen geeignet sind, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten.
Es ist bedauerlich, dass dieses Papier erst im November vorlag und für die aktuelle Haushaltsaufstellung nicht mehr wirksam genutzt werden konnte. Aber das sollte für uns und die Verwaltung Ansporn sein es ab dem nächsten Jahr besser zu machen einen wirklich klimagerechten Haushaltsentwurf zu entwickeln.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit